Blog: Die Angst vor der Angst - oder: Die Lust an der Angst


Kennen Sie das Gefühl, wenn die Angst in Ihnen hochkriecht? Die Angst vor einer schlimmen Krankheit? Vor Prüfungen, Misserfolge, vor Verlust? Angst lauert überall, obwohl wir in der westlichen Welt medizinisch besser versorgt und finanziell abgesicherter leben als irgendeine Generation zuvor.

Angst provoziert das, wovon wir Angst haben. Die Ursache von Angst ist nur die gedankliche Vorstellung, nicht die reale Situation an sich. Der Stressmacher kann erbarmungslos sein. Angstepidemie ist auf dem Vormarsch. So wundert man sich nicht, dass der US-Pharmaverband 18 Medikamente gegen Angststörungen in der Entwicklung hat. Der Konsum von Psychopharmaka, die gegen Angststörungen helfen sollen, stieg in den letzten Jahren rasant an. Die Angst hat also auch einen Markt. Angst bei Menschen auszulösen, hat auch Vorteile. Nicht nur, was den Konsum von Medikamenten betrifft. Verängstigte Menschen sind auch leichter zu überreden, gewisse Dinge zu konsumieren. Angstbesetzte Menschen lassen sich auch leichter regieren.

“Angst essen Seele auf”, so lautete das Melodram des Regiesseurs Rainer Werner Fassbinder. Angst frisst sich buchstäblich in die Seele, durch das Gehirn. Auch Medien wirken als Angstverstärker, durch Beiträge auf allen Kanälen. Der ständige Appell an das Angstzentrum kann Menschen zu perfekten Untertanen degradieren. Um bei den Medien zu bleiben - sobald sie das Interesse verlieren ständig die Angstthematik zu befeuern, nicht mehr täglich berichten, wird die Aufregung verschwinden und die Angst wird weniger.

Doch wie wird man die Angst los? Es geht nicht darum, Angstfreiheit zu erzeugen, sondern um das Gegenteil. Man sollte Angst zulassen. Man könnte mit der Angst kommunizieren. "Bin ich mir zu hundert Prozent sicher, dass der Gedanke, der die Angst erzeugt wahr ist"? Angst kann bearbeitet werden, indem man sich mit ihr konfrontiert - sich der Angst stellt. Wenn Sie dem Stressmacher Angst erstmals gegenüberstehen, mag er groß und unheimlich aussehen, doch wenn Sie ihn aus einer anderen Perspektive, anderer Entfernung ansehen, erkennen Sie, wie unbedeutend er in Wirklichkeit sein kann.

Während wir in diesen Unruhezeiten, die auch viel mit Angst besetzt ist, auf die große Frage - wie wird es weitergehen? - eine Antwort suchen, befinden wir uns möglicherweise im Schatten des Apollotempels in Delphi, auf dem die Inschrift steht “Erkenne dich selbst.” Vielleicht auch eine Aufforderung um sich die Zeit im Warten auf die Zukunft zu vertreiben und die Angst zu akzeptieren.

„Angst ist für das Überleben unverzichtbar.“ (Hannah Arendt)


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Buch: 49 1/3 Anstiftungen zum Perspektivenwechsel